BOCKSGESÄNGE

Der „Bocksgesang“: τραγῳδία (tragodía), von τράγος (trágos: Bock) und ᾠδή (odé: Gesang) ist der „Gesang der als Böcke verkleideten Sänger“ oder der „Gesang anlässlich eines Bocksopfers“.

Wulf Datow und Zhua Si Ge – Um den Olivenbaum…

Unser Kunde und überzeugter Anhänger des TRAGOS-Projekts Wulf Datow hat uns ein Haiku geschickt. Wie in der traditionellen japanischen Gedichtform des Haiku fängt er in drei kurzen Zeilen ein Naturbild ein, das sehr gut die Stimmung in einem Olivenhain trifft, und das zugleich über die konkrete Situation hinausweist: das Licht gewinnt menschliche Züge, es ist behutsam und spielt. Sehr schön ist auch die Vereinigung der Gegensätze von Licht und Schatten getroffen.

Ein weiterer Freund des Projekts, Zhua Si Ge, beschenkte uns mit einer kalligraphischen Darstellung eines Linearschrift B – Wortzeichens für den Olivenbaum.

Die Linearschrift B ist die Silbenschrift der mykenischen Kultur (etwa 17. bis 11. Jh. v. Chr.) und somit nachweislich die erste Schrift der griechischen Sprache. Sie besteht aus Silbenzeichen und Wortzeichen, wie es beispielsweise für den Olivenbaum mehrere gibt.

Die chinesische Schrift ist über 3000 Jahre alt; die ersten eingeritzten Bildzeichen datieren aus der Zeit um 1.200 v. Chr. Kalligraphie entwickelte sich im Verlauf der Jahrhunderte zu einer eigenständigen Kunstform, die hohes Ansehen genoss. Von den Damen und Herren der guten Gesellschaft wurde erwartet, dass sie sie beherrschen.

Wir danken Wulf Datow und Zhua Si Ge für ihre eindrucksvollen Beiträge.

Wulf Datow

爪四哥 – Zhua Si Ge

Jacques Guiaud, Olivenhain (Ausschnitt), 1869
Kunstmuseum im Kloster Brou (Burgund)  –  Foto: Martin Kölle

Altes Testament, Psalm 104, 14 bis 18

14  Du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, dass du Brot aus der Erde hervorbringst,
15  dass der Wein erfreue des Menschen Herz und sein Antlitz glänze vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke.
16  Die Bäume des Herrn stehen voll Saft, die Zedern des Libanon, die er gepflanzt hat.
17  Dort nisten die Vögel, und die Störche wohnen in den Wipfeln.
18  Die hohen Berge geben dem Steinbock Zuflucht und die Felsklüfte dem Klippdachs.           


Übersetzung: Lutherbibel 2017

Minoisches Steinrhyton aus Zakros (Kreta) mit Steinböcken
und Gipfelheiligtum (1500-1450) (Iraklio, Arch. Mus.)
Foto: Martin Kölle

Thukydides 3, 49, 2f.

Aus einem Bericht des ersten bedeutenden Vertreters der europäischen Geschichtsschreibung Thukydides „Der Peloponnesische Krieg“ (431 – 404 v.Chr.)

Im 5. Jahr des Peloponnesischen Kriegs zwischen Athen und Sparta ist die Insel Lesbos mit der wichtigsten Stadt Mytilene vom attischen Seebund abgefallen, und deswegen wird in Athen deren Vernichtung beschlossen. Ein Kriegsschiff ist zur Vollstreckung der Exekution der verantwortlichen Aufständischen bereits unterwegs. Gegenstimmen aber haben sich inzwischen im Rat der Athener durchgesetzt, die Hinrichtung zu verhindern und eine friedliche Lösung anzustreben. Um die erste Entscheidung der Bestrafung rückgängig zu machen, schicken die Athener nun ein zweites Schiff nach Mytilene, und weil es gilt, der Order des ersten Schiffes zuvorzukommen, werden die Ruderer des nachfolgenden Schnellboots während der Fahrt mit Sondernahrung verpflegt.

Ἐκράτησε δὲ ἡ τοῦ Διοδότου. καὶ τριήρη εὐθὺς
ἄλλην ἀπέστελλον κατὰ σπουδήν, ὅπως μὴ
φθασάσης τῆς προτέρας εὕρωσι
διεφθαρμένην τὴν πόλιν. προεῖχε δὲ ἡμέρᾳ καὶ
νυκτὶ μάλιστα. παρασκευασάντων δὲ τῶν
Μυτιληναίων πρέσβεων τῇ νηὶ οἶνον καὶ
ἄλφιτα καὶ μεγάλα ὑποσχομένων, εἰ φθάσειαν,
ἐγένετο σπουδὴ τοῦ πλοῦ τοιαύτη
ὥστε ἤσθιόν τε ἅμα ἐλαύνοντες οἴνῳ καὶ
ἐλαίῳ ἄλφιτα πεφυραμένα, καὶ οἱ μὲν ὕπνον
ᾑροῦντο κατὰ μέρος, οἱ δὲ ἤλαυνον.

Die Meinung des Diodotos aber setzte sich durch. Und sofort schickten sie in aller Eile eine weitere Triere, damit sie nicht nach Ankunft des ersten Schiffes die Stadt vernichtet vorfinden müssten. Jenes aber war ihnen ungefähr einen Tag und eine Nacht voraus. Da nun die Abgesandten der Mytilener für die Besatzung Wein und Mehl beigebracht und große Versprechungen gemacht hatten, sofern sie ihnen zuvorkämen, entwickelte sich auf dem Schiff ein solcher Eifer, dass sie sogar während der Fahrt aßen, Mehl mit Wein und Öl vermischt, und in Schichten schliefen, während die anderen ruderten.

Vorspann und Übersetzung: Michael Hornberger

Foto eines Abgusses einer attischen Triere (Cambridge)

Die Olympias, Nachbau einer athenischen Triere mit
englischer Rudermannschaft

MARK AUREL, ΤΑ ΕΙΣ ΕΑΥΤΟΝ – ZU SICH SELBST 4, 48

τὸ γὰρ ὅλον, κατιδεῖν ἀεὶ τὰ ἀνθρώπινα ὡς ἐφήμερα καὶ εὐτελῆ, καὶ ἐχθὲς μὲν μυξάριον, αὔριον δὲ τάριχος ἢ τέφρα. τὸ ἀκαριαῖον οὖν τοῦτο τοῦ χρόνου κατὰ φύσιν διελθεῖν καὶ ἵλεων καταλῦσαι, ὡς ἂν εἰ ἐλαία πέπειρος γενομένη ἔπιπτεν, εὐφημοῦσα τὴν ἐνεγκοῦσαν καὶ χάριν εἰδυῖα τῷ φύσαντι δένδρῳ.

Foto: Martin Kölle

 

Insgesamt sieh das Menschliche als etwas Eintägiges und Wertloses an, gestern noch im Saft, morgen schon Mumie und Asche. Durchwandere diese winzige Zeitspanne gemäß der Natur und ende heiter, wie wenn eine Olive, reif geworden, herabfiele, preisend den Boden, der sie trägt, und Dank wissend dem Baum, der sie hat anschwellen lassen.

Übersetzung: Martin Kölle

Olivenzweige, Fresko von Knossos, 1600 – 1500 (Iraklio, Arch. Mus.)
Foto: Martin Kölle

Vergil, Georgica – Vom Landbau, Buch 2, 420 – 425

Contra non ulla est oleis cultura: neque illae
procurvam exspectant falcem rastrosque tenacis,
cum semel haeserunt arvis aurasque tulerunt;
ipsa satis tellus, cum dente recluditur unco,
sufficit umorem et gravidas, cum vomere, fruges.
hoc pinguem et placitam Paci nutritor olivam.

 

Oliven jedoch brauchen keine Pflege und erwarten auch nicht die gekrümmte Sichel und feste Hacken, sobald sie einmal auf dem Feld festhaften und die Winde ertragen. Die Erde selbst gewährt, wenn sie mit zweizinkiger Hacke aufgelockert wird, genügend Feuchtigkeit und, wenn man sie pflügt, reiche Früchte. Und so hege man die fette Olive, den Liebling des Friedens!

 Übersetzung: Martin Kölle

Taube mit Ölzweig (Rom, Domitilla-Katakomben)
Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Der Olivenzweig – ein Zeichen für Versöhnung und Frieden nach der Sintflut im Alten Testament,
1. Mose 8, 10 – 11

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Und er wartete noch sieben weitere Tage, dann ließ er die Taube noch einmal aus der Arche; und die Taube kam um die Abendzeit zu ihm ⟨zurück⟩, und siehe, ein frisches Olivenblatt war in ihrem Schnabel. Da erkannte Noah, dass das Wasser auf der Erde weniger geworden war.

Übersetzung: Elberfelder Bibel 2006

NOE ENTSANDTE EINE TAUBE. SIE KEHRTE MIT EINEM OLIVENZWEIG ZURÜCK.
Mosaik in der Kathedrale von Monreale

Foto: Martin Kölle

Im Kräutergarten von St. Lioba, Freiburg i. Br.

Sophokles, Ödipus auf Kolonos. 694 ff.

Aquarell von Dr. Renate Marzolff (2019): Olivenbaum in Ano Vouves (Kreta)


Es ist (…)
der Baum – der Mensch legt nicht Hand an ihn
und er wächst wild – den Feinden Furcht einflößend,
der üppig in diesem Lande gedeiht, blau schimmernd,
immer sprossend, der Ölbaum; an den wird kein Junger
noch Alter vernichtend die Hand legen,
denn das immer  umherblickende Augenrund
des ölbaumhegenden Zeus wird ihn beschützen
und die eulenäugige Athene.

Übersetzung: Michael Hornberger und Martin Kölle

Knorriges Gesicht im Olivenbaum von Ano Vouves

Foto: Martin Kölle

Odysseas Elytis, TO AXION ESTI – Gepriesen sei. Aus dem ersten Teil: „Die Genesis“

Zweisprachige Ausgabe
Aus dem Griechischen übersetzt und mit Nachworten versehen
Neu durchgesehen und bearbeitet von Günter Dietz
2001, 2. Aufl. 2002, Ln., 208 S.

Καὶ πολλὰ τὰ λιόδεντρα
     ποὺ νὰ κρησάρουν στὰ χέρια τους τὸ φῶς
     κι ἐλαφρὸ ν᾿ ἁπλώνεται στὸν ὕπνο σου
καὶ πολλὰ τὰ τζιτζίκια
     ποὺ νὰ μὴν τὰ νιώθεις
     ὅπως δὲ νιώθεις τὸ σφυγμὸ στὸ χέρι σου …

Und zahllos die Ölbäume
     die mit ihren Händen das Licht sieben
     dass es sich unbeschwert ausbreite in deinem Schlaf
ein Heer von Zikaden
     und du siehst sie nicht
     wie du den Puls deiner Hand nicht spürst …

Übersetzung: Günter Dietz


Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck danken wir dem Elfenbein-Verlag Berlin.

Olivenbäume auf Kreta
(Foto: Martin Kölle)

Olivenbäume auf Kreta
(Foto: Martin Kölle)

Kallimachos, Das Bad der Pallas, 16f. und 23 – 30

In der Antike wurde Olivenöl außer zur Zubereitung von Speisen und als Brennstoff für Lampen vor allem als Salböl zur Körperpflege verwendet, bei Homer erscheint es nur in dieser Funktion. Es gab schlichtes Öl zum Einreiben und Massieren z.B. beim Sport der Männer, aus Oliven gewonnenes Öl und Salben als Heilmittel in der Medizin und mit wohlriechenden Pflanzen vermischtes Duftöl. Der hellenistische Dichter Kallimachos (ca. 305 – 240) hat einen Hymnus auf Pallas Athene geschrieben; sie ist die Göttin der Weisheit, der klugen Kriegsführung, des kunstreichen Handwerks und Schutzherrin des Ölbaums. Der Dichter beschreibt, wie diese mit ihrem Pferdegespann die weite Strecke von „zweimal sechzig Doppelstadien“ zurückgelegt hat, dass sie dann wie immer zuerst die Pferde versorgt und ihr nun von griechischen Mädchen das Bad bereitet werden soll. Er versichert, dass dabei für sie die duftende „Myrrhe und Salbölfläschchen“ keine Bedeutung haben und vergleicht dies mit den „himmlischen Zwillingen“ Kastor und Polydeukes (lateinisch: Castor und Pollux) aus Lakedaimon (Sparta) am Fluss Eurotas. Einer oder beide gelten auch als Söhne von Zeus und heißen daher „Dioskuren“: „Zeussöhne“. Im griechischen Text werden sie als „Sterne“ bezeichnet, da sie von Zeus als Sternbild an den Himmel versetzt worden sind. Wie Herakles zählen sie zu den größten Helden der griechischen Mythologie.     (Martin Kölle)

V 16   Athene liebt nämlich keine angemischten Spezereien, auch keinen Spiegel sollt ihr bringen, schön ist immer ihr Anblick. …
V 23   Sie, nachdem sie zweimal sechzig Doppelstadien gefahren war, rieb, ebenso wie am Eurotas jene himmlischen Zwillinge von Lakedaimon, in weiser Erfahrung mit dem schlichten Öl ihrer eigenen Pflanze sich ein. Ihr Mädchen, da lief eine Röte über ihren Körper, eine Farbe, wie sie am Morgen eine Rose oder ein Granatapfelkern hat! Also bringt auch jetzt nur Öl, das den Männern genehm ist, mit dem sich Kastor, mit dem auch Herakles sich einreibt.

Übersetzung: Michael Hornberger und Martin Kölle

Ausschnitt aus dem Kelchkrater des Euphronios (um 500). Er zeigt, wie ein Sportler Öl zum Einreiben aus einem Fläschchen träufelt.

(Foto: Markus Cyron, Creative Commons CC-BY-SA-2.5, Ausschnitt, bearbeitet)

Das Bild zeigt die Affinität von Pallas Athene zum Pferd. Hinter der helmbewehrten Göttin Insignien des Schreinerhandwerks.
Rotfigurige Oinochoe, ca. 470/460

(Foto: Martin Kölle)

Columella,  De re rustica 5, 8

"Olea prima omnium arborum est".

Der Ölbaum ist der erste aller Bäume.

3000 – 5000 Jahre alter Olivenbaum in Ano Vouves, Kreta / Foto: Martin Kölle

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